Aufnahme aus dem Tschechischen Zentrum Berlin vom 23.10.2018
Gespräch mit Jan Faktor und Annette Simon, die ihre 2018 bei Edition Korrespondenzen erschienene erste deutsche Übersetzung von Ivan Blatnýs Gedichtband „Hilfsschule Bixley“ vorstellten und über den wiederentdeckten tschechischen Dichter Blatný, sein Leben und Werk sprachen.
Fast vierzig Jahre galt der Dichter Ivan Blatný in der tschechischen Öffentlichkeit als verschollen. Nach der kommunistischen Machtübernahme 1948 kehrte er von einem Stipendienaufenthalt in England nicht mehr zurück und lebte dort vereinsamt in einer Nervenheilanstalt. Nur der Aufmerksamkeit einer Krankenschwester ist es zu verdanken, dass nicht alle seiner in der Anstalt verfassten Gedichte im Müll verschwanden, sondern zwei bedeutende Sammlungen – Stará bydlište (Alte Wohnsitze) und Pomocná škola Bixley (Hilfsschule Bixley) – im tschechischen Exilverlag Sixty-eight-Publishers in Toronto erscheinen konnten. Als sein Werk nach 1989 auch in der Tschechoslowakei neu entdeckt wurde, kam dies einer literarischen Sensation gleich.
„Hilfsschule Bixley“ ist ein poetisches Tagebuch voller überraschender Wechsel. Der Krankenhausalltag trifft auf Blatnýs Erinnerungen aus seiner Zeit in Brünn und Prag, Fernsehnews und Königshausklatsch verbinden sich mit Blatnýs reichem kulturhistorischen Wissen. Über Anspielungen und Zitate bleibt er mit sich und seinen Dichterfreunden im Gespräch. Oft wechselt Blatný mitten im Satz die Sprache: von Tschechisch zu Englisch, Französisch oder Deutsch, zuweilen gar mit Reimen über die Sprachgrenzen hinweg. Blatnýs surrealistische Collagen und seine unbändige Sprachlust schaffen ein eindrückliches Porträt der brüchigen Existenz des durch Exil und Sanatorium doppelt isolierten Autors.
Die Präsentation war eine gemeinsame Veranstaltung mit der Botschaft der Tschechischen Republik in Berlin.